Pforten der Nacht by Brigitte Riebe

Pforten der Nacht by Brigitte Riebe

Autor:Brigitte Riebe
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: PeP eBooks


»Und Ihr wollt dem Possenspiel nicht allmählich ein Ende bereiten und mich entlasten?« Der Lombarde mit den seltsamen goldenen Augen starrte Jan van der Hülst gespannt an.

»Warum sollte ich?« Von draußen war übermütiges Kinderquietschen zu hören, dann die ärgerliche Stimme einer Frau, die in schnellem Italienisch zu schimpfen begann. Schließlich sprang die Tür auf, und ein kleines Mädchen mit rotblonden Haaren und einer Rotznase lief herein.

»Papa!«, rief sie fröhlich. »Papa, Papa! Papa, ich will mit auf dein Pferd. Bitte!«

»Welchen von uns beiden sie wohl meint?«, versuchte Paolo di Marco Datini zu scherzen. »Euch - oder mich? Meine Frau wird langsam ungeduldig und drängt mich, wie versprochen, mit der Familie nach Hause zurückzukehren. Weil die Töchter allmählich erwachsen werden und auf keinen Fall in der Fremde heiraten sollen. Tag für Tag liegt sie mir damit in den Ohren. Ich kann es schon nicht mehr hören!«

»Dann erfüllt ihr doch den Wunsch und lasst sie nach Prato zurückkehren«, erwiderte der Kaufmann ungerührt. »Euch jedoch brauche ich nach wie vor hier. Bis auf Weiteres.«

Datini senkte sein Haupt, neigte sich leicht und verschwand. Er hatte verstanden, abermals verstehen müssen. Ein Wort würde genügen, und sein befristetes Bürgerrecht in Köln würde vom Schöffenkolleg nicht verlängert werden. Gleiches galt für die teuer erkaufte Sondergenehmigung, seine Geschäfte hier im Burgfrieden betreiben zu dürfen. Dabei schien sich gerade eine sehr vielversprechende Entwicklung abzuzeichnen, an der er unbedingt teilhaben wollte. Gerüchten zufolge plante Erzbischof Walram die Errichtung einer hiesigen Bank nach italienischem Vorbild. Angeblich verunsichert durch die Vorfälle in Worms, sei er entschlossen, der jüdischen Pfandleihe in Köln so schnell wie möglich ein Ende zu bereiten. Alles natürlich nur im Sinn der Bürger, die er in seiner Funktion als Stadtherr zu schützen habe. Und, was Paolo di Marco Datini als das Allerbeste an der Geschichte erschien, natürlich nur mit der Hilfe der Italiener, die sich schon seit geraumer Zeit hier angesiedelt hatten.

Er gestattete sich ein Grinsen und warf einen letzten Blick auf das Haus zurück, in dem Nana und die Kleine lebten. Eigentlich kein allzu großes Opfer, sie regelmäßig zu besuchen, um den Schein zu wahren. Wenngleich vielleicht auch in anderem Sinn, als van der Hülst annehmen konnte. Schließlich war er wendig und ausgesprochen vielseitig. Zudem, wie seine umfangreichen Grundstückserwerbungen in den Schreinskarten eindeutig bewiesen, ein Mann, der gewohnt war, zur rechten Zeit am richtigen Platz zu sein.

Jan van der Hülst legte dem Kind die Hand auf den Kopf, nachdem der Lombarde endlich fort war, nur einen Augenblick lang, dann verzog sich sein Mund. Sie war niedlich, die kleine Cäcilia, die Susanna ihm geboren hatte, aber trotzdem nicht der Sohn, den er so sehnlich erwartet hatte. So war er froh, als sie wieder nach draußen zu der Magd lief, die auf sie aufpasste. Vielleicht wäre alles anders gekommen, hätte tatsächlich jener so sehr ersehnte Sohn namens Andrea das Licht der Welt erblickt. Dann bewohnte er womöglich schon mit seiner neuen Familie das stattliche Haus im Kronengässchen, das er jetzt eher widerwillig Rutger für dessen junge Ehe überlassen würde, und Bela wäre endlich da, wo er sie am liebsten gehabt hätte: in einem tiefen, kühlen Grab.



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